Alan Frei: «Eine Pastamaschine beendet meinen minimalistischen Lebensstil.»

Vor 12 Jahren begann der Unternehmer Alan Frei (40) sein Leben auszumisten. Bis er nur noch knapp 80 Dinge besass. Nun setzt ausgerechnet eine Pastamaschine seinem zelebrierten Minimalismus ein jähes Ende, wie er am Future Talk 02 zugibt. Er erzählt, wie es soweit kommen konnte, und warum er überhaupt angefangen hatte, sich zu entmaterialisieren.

Future Talk with Esther Mirjam
Ich habe festgestellt, dass ich glücklicher bin mit weniger Sachen.
Alan Frei

Mitten in der Nacht sei er kürzlich aufgewacht, erzählt Alan Frei, seine Freundin, mit der er eben erst zusammengezogen ist, sei im bläulichen Schein ihres Handys am Tisch gesessen. «Sie war dabei, Reviews von Pastamaschinen zu vergleichen. Da wusste ich, dass sich meine Minimalismus-Identität langsam auflöst», erzählt Frei und lacht.

Frei, der sich selber als Unternehmer, Minimalist und Vagabund bezeichnet, hatte sich mit seiner Partnerin darauf geeinigt, gesünder zu essen, zum Beispiel Pasta mit weniger Weissmehl, «auch, um ein bisschen abzunehmen», wie er sagt. Frei ist Co-Gründer des Erotik-Online-Shops Amorana und lebte seit dem Verkauf seines Unternehmens 2020 zweieinhalb Jahre in einem Hotel in der Zürcher Innenstadt.

Die Rematerialisierung

Sein ganzes Hab und Gut hatte er auf 80 Dinge beschränkt – mit Betonung auf hatte. «Jetzt gerade rematerialisiere ich mich», stellt er am zweiten Future Talk im Polestar Space in Zürich fest. Das Thema des Abends lautet «Weniger ist mehr – ist das die Formel unserer Zeit?» Die Idee der Pastamaschine und seiner neuen Wohnung seien klare Zeichen dafür, dass er sein Wertesystem als Minimalist neu ordnen müsse. Sein Wertesystem sei ohnehin speziell, ergänzt er: «Als Dildo-Verkäufer hat man noch ganz andere Probleme.»

Das Motto «Weniger ist mehr» hat bei Frei eine durchaus persönliche Komponente: «Ich entschied mich aus egoistischen Gründen für Minimalismus. Ich habe festgestellt, dass ich glücklicher bin mit weniger Sachen. Mir ist einfach wohler, wenn ich mich um möglichst wenig kümmern muss.» Mit seinen Gütern entledigte sich Alan Frei auch der Verantwortung. Etwa für den Bier-Helm, den er einst in den USA erstanden und dann «samt dem Staub aus jeder Wohnung» jeweils mitgezügelt habe, ohne eine Verwendung für ihn zu haben.

Phasenweise zum Minimalisten

Frei fing an, sein Leben auszusortieren. In Phase eins entsorgte er kaputte Ski-Stöcke und einzelne Socken. «Wir in der Schweiz leben ja in der Hoffnung, die zweite Socke komme irgendwann wieder zurück», frotzelt er. In Phase zwei folgte alles, was er mehr als ein Jahr nicht angerührt hatte: «Ich füllte 16 Abfallsäcke mit 110 Litern Fassungsvermögen, aber meine Wohnung sah immer noch gleich aus», musste er feststellen – und leitete Phase drei ein: Nur noch behalten, was er braucht, um glücklich zu sein. «Ich merkte zum Beispiel, dass ich dazu keinen Regenschirm brauche. Ich habe eine Kapuze an der Jacke.»

01/02

Wir in der Schweiz horten sogar einzelne Socken, in der Hoffnung, die zweite Socke komme irgendwann wieder zurück.
Alan Frei

Keine Konsumkritik

Sein Minimalismus hat nichts mit Konsumkritik und Ressourcen sparendem Verhalten zu tun, gibt er zu. Frei sieht sich auch nicht als Vorreiter einer Bewegung, die plötzlich hochaktuell ist. Seine Haltung passt dennoch sehr gut in die Zeit der allseits gepriesenen «Nachhaltigkeit». Denn: «Mit allem, was ich anschaffe, übernehme ich die Verantwortung für die pflegliche Behandlung dieser Gegenstände – bis hin zum Recycling am Ende.»

Als studierter Ökonom und erfolgreicher Unternehmer glaubt Frei an Wachstum und sieht darin einen Motor für die Entwicklung. Die richtige Technologie könne Probleme lösen, wie verschiedene Beispiele zeigten: «Ich bin Technologie-gläubig und sehe, wie Forschende der ETH Zürich CO₂ aus der Luft filtern, wie komplett nachhaltige Autos gebaut und nachhaltiges Wachstum geschaffen wird – ohne fossile Brennstoffe oder die Plünderung von Rohstoffen.»

«Viele wollen eine bessere Zukunft»

Seinen Optimismus schöpft Alan Frei aus einem grossen gemeinsamen Interesse der Menschheit: «Egal ob in der Schweiz oder in China, viele wollen eine bessere Zukunft für die nächste Generation. Wir wollen, dass es unseren Kindern gut geht.» Die Umwelt sei für alle ein gleich wichtiger Faktor. «Ich bin sicher, auch in China wollen die Menschen keine Zukunft, in der die Luft nicht mehr zum Atmen reicht.»

Übrigens: Alan Frei ist nicht der einzige Minimalist, der aufgeben musste. Die Japanerin Marie Kondo, die als Queen des Ausmistens und Ordnens weltberühmt wurde und damit ebenfalls Millionen verdiente, musste kürzlich die Waffen strecken: Sie bekam ihr drittes Kind und gestand ein, dass nun bei ihr das Chaos ausgebrochen ist.

Wie steht unser zweite Talkgast, Esther-Mirjam de Boer, Unternehmerin und Politikerin zu diesem Thema? Hier kannst du ihre spannendsten Aussagen nachlesen.

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Mehr zu Alan Frei auf www.alanfrei.com.

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